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Geschichte des Seminars

Das Sprachwissenschafliche Seminar blickt auf eine über hundertjährige Tradition zurück, die mit der Einrichtung des Lehrstuhls für Vergleichende Sprachwissenschaft im Jahre 1884 begann. Seitdem wird hier die Sprachwissenschaft (wie es im 19. Jahrhundert noch hieß, bevor auch in den Einzelphilologien eigene sprachwissenschaftliche Abteilungen entstanden) von namhaften Persönlichkeiten wie Karl Brugmann, Rudolf Thurneysen, Oswald Szemerényi, Helmut Rix und zuletzt Eva Tichy vertreten. Zur Freiburger sprachwissenschaftlichen Tradition gehört seit jeher die Beschäftigung mit Allgemeiner Sprachwissenschaft, neben der lange Zeit ein Schwerpunkt in der Indogermanistik und sprachwissenschaftlichen Ausbildung für die Klassische Philologie lag. Es standen besonders die klassischen Sprachen (Griechisch und Latein) und die Indoiranistik im Vordergrund, vor allem die historische Grammatik der Verbalsysteme, aber auch die Nominalmorphologie. Mit der Neubesetzung des Lehrstuhls 2020 hat sich der Schwerpunkt auf die allgemeine Sprachtypologie und Erforschung diachroner Sprachwandelprozesse im Bereich der Morphosyntax verlagert.

Eine kurze Geschichte des Lehrstuhls und Seminars

Der Freiburger Lehrstuhl der Sprachwissenschaft wurde im Jahre 1884 eingerichtet. Erster Inhaber des Lehrstuhls war von 1884-1887 der bekannte Junggrammatiker Karl Brugmann (* 16.3.1849 Wiesbaden, † 29.6.1919 Leipzig), der schon drei Jahre später einen Ruf an seine alte Universität in Leipzig annahm, wo er dann 32 Jahre lang wirkte. Brugmann hatte in Halle und Leipzig bei Georg Curtius studiert und sich in Leipzig 1877 habilitiert.

In seiner Freiburger Zeit entstand die Griechische Grammatik, deren letzte Neubearbeitung durch Eduard Schwyzer (1938) auch heute noch maßgeblich ist. Damals begann er auch schon mit der Arbeit am monumentalen Grundriss der vergleichenden Grammatik (zusammen mit B. Delbrück), der heute zwar in manchem veraltet, doch immer noch unersetzt ist.

Foto: Idg. Jahrbuch VI (1920)

Obwohl nie Lehrstuhlinhaber, hatte auch Brugmanns Schüler Albert Thumb (* 1865 Freiburg, † 14.8.1915 ebenda) große Bedeutung für das Freiburger Seminar. Er stammte aus Freiburg und hatte hier auch noch als Privatdozent gewirkt, bevor er nach Marburg berufen wurde. Von dort wechselte er dann nach Straßburg. Er hinterließ eine umfangreiche Bibliothek (besonders zum Neugriechischen), die letztlich dem Freiburger Seminar geschenkt wurde (s. Idg. Jahrbuch III, S. 214). Der heutigen Fachwelt ist er u. a. als Verfasser wichtiger Handbücher zum Altindischen (Thumb-Hauschild) und den griechischen Dialekten (Thumb-Scherer) bekannt, sowie als Bearbeiter von Brugmanns Griechischer Grammatik. Sein Hauptgebiet aber wurde das des Neugriechischen, auf dem er wesentliche Pionierleistungen erbrachte.

Foto: Idg. Jahrbuch III (1915)

Brugmanns Nachfolger auf dem Freiburger Lehrstuhl war von 1887-1912 Rudolf Thurneysen (* 14.3.1857 Basel, † 9.8.1940 Bonn), der 1904 der Freiburger Universität auch als Rektor diente. 1912 nahm er dann einen Ruf nach Bonn an und blieb dort. 1879 in Leipzig promoviert, hatte er sich 1882 in Jena habilitiert und wirkte zunächst als Romanist. 1885 wurde er dort zum außerordentlichen Professor ernannt, und schon zwei Jahre später erhielt er die ordentliche Professur in Freiburg. Begonnen hatte er mit Arbeiten zum Italischen, sein Hauptgebiet wurde aber die Erforschung des Keltischen, speziell des Altirischen, für die er besonders mit dem Handbuch des Altirischen (1909) eine noch heute unentbehrliche Grundlage legte.

Foto: Seminarbestand

Der nächste Inhaber des Lehrstuhls war von 1913 an Ludwig Sütterlin (* 1863 Heidelberg, † 3.7.1934 Freiburg). Er hatte in seiner Heimatstadt Heidelberg (bei Hermann Osthoff) und später auch in Leipzig studiert. In Heidelberg habilitierte er sich 1890 und wurde 1896 ao. Professor. Sein Hauptschwerpunkt lag im Gebiet der germanischen Sprachen, besonders des Deutschen und seiner Dialekte.

Foto: Idg. Jahrbuch XIX (1935)

Von 1943-1963 vertrat Johannes (Friedrich) Lohmann (* 1895, † 3.5.1983 Freiburg) das Fach. Er promovierte 1921 in Berlin im Fach Slavistik und habilitierte sich 1930 dort in Vergleichender Sprachwissenschaft bei Wilhelm Schulze. 1933 erfolgte eine Umhabilitation nach Freiburg, hier und zugleich in Basel hatte er dann bis 1939 einen Lehrauftrag, bevor er 1940 ein Extraordinariat in Rostock erhielt. Nachdem er schon 1943 wieder nach Freiburg gekommen war, wurde er 1949 (wieder) ordentlicher Professor. Als traditioneller Indogermanist arbeitetet er zunächst vor allem auf morphologischem Gebiet (wichtig besonders seine Schrift Genus und Sexus von 1932). Später wandte er sich stärker der Allgemeinen Sprachwissenschaft und der Sprachphilosophie zu (Philosophie und Sprachwissenschaft, 1965), dazu auch der Musiktheorie (Musiké und Logos, 1970).

 

Ihm folgte Oswald Szemerényi (* 7.9.1913 London, † 29.12.1996 Freiburg). Er gilt als einer der Begründer eines neuen Aufschwungs des Faches nach dem Krieg. Seine Interessen waren weit gespannt und umfassten neben der Indogermanistik auch die Allgemeine Sprachwissenschaft. Besonders bekannt ist er durch seine Einführung in die Vergleichende Sprachwissenschaft (Darmstadt 1989) und die Richtungen der modernen Sprachwissenschaft (Heidelberg 1971-1982). Auch nach seiner Emeritierung und noch bis zu seinem Tode blieb Szemerényi dem Seminar verbunden.

Foto: Scripta Minora I (Innsbruck 1987)

Als Szemerényis Nachfolger konnte Helmut Rix (* 4.7.1926 Amberg, †  3.12.2004 Colmar) gewonnen werden, der bis 1993 das Seminar leitete. Seine Schwerpunkte lagen auf dem Gebiet des Griechischen und vor allem der italischen Sprachen mit Einschluss der Etruskologie. Wir verdanken ihm wesentliche Beiträge zur indogermanischen Morphologie, besonders zur Entwicklung des Verbums.

Foto: Indogermanica et Italica (Innsbruck 1993)

In der Nachfolge von Helmut Rix bekleidete den Lehrstuhl seit 1993 bis zu ihrer Emeritierung 2017 Eva Tichy (1951 Marburg). Ihr Forschungsschwerpunkt lag auf der Morphosyntax der altindoiranischen Sprachen (Vedisch, Avestisch), insbesondere im Bereich der Nomina und Verben; nicht zuletzt widmete sie sich auch der historischen Grammatik der Sprache Homers. Ihrer fruchtbaren Forschungstätigkeit sind neben dem Handbuch Indogermanistisches Grundwissen (Bremen 2000) besonders Spezialuntersuchungen wie Die Nomina agentis auf -tar im Vedischen (Heidelberg 1995) und Der Konjunktiv und seine Nachbarkategorien (Bremen 2006) zu verdanken.